Freitag, 17. Juni 2016

Kritik am deutschen Zwangsversteigerungsrecht



Als ich mich mit den Gesetzen und den Regeln der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Immobilien) eingehenst beschäftigt habe, stellte ich ein paar gravierende Mängel in der Gesetzgebung zum Zwangsvollstreckungsrecht fest, die ich hier einmal aufliste.

Wenn man bedenkt, dass nach Art.1 Abs.3 des Grundgesetzes alle Staatsgewalt an die verankerten Grundrechte im Grundgesetz gebunden ist, so ist eine Zwangsausübung gegenüber einen rechtschaffenen Schuldner ein Angriff auf Art.1 Abs.1 GG. Der Art.1 Abs1 GG besagt „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Mit einer
Zwangsausübung des Staates im Auftrag eines Gläubigers gegen einen in Not geratenen Schuldner wird deshalb dessen Würde massiv und unwürdig angegriffen.
Desweiteren nimmt der Staat bei der Durchführung von Zwangsversteigerungen im Interesse des Gläubigers schwerwiegende Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Schuldners vor. Hierbei befinden sich der Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum (Art. 14 Abs.1 Satz 1 GG) des Betroffenen einerseits und die Durchsetzung des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs des Gläubigers auf Befriedigung einer begründeten Geldforderung andererseits in einem Spannungsverhältnis.

Aus diesem Grund ist eine Zwangsvollstreckung auf  Immobilien die auch noch von einem Schuldner bewohnt sind und die als Existenzsicherung und Altervorsorge dient mit dem jetzigen Zwangsvollstreckungsrecht nach dem  8.Buch der ZPO und der ZVG gegenüber unserem Grundrecht in Grundgesetz hoch problematisch.

Deshalb sind langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Gläubiger und Schuldner vorprogrammiert. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof sind ständig mit solchen Themen befasst, da das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) und
das Zwangsvollstreckungsrecht im 8. Buch der ZPO gravierende mit unserem Grundgesetz nicht zu vereinbarende Lücken aufweist.

Im Jahr 2012 habe ich deshalb eine Petition an den Deutschen Bundestag mit dem Titel „Zwangsversteigerung - Novellierung des Zwangsversteigerungsgesetzes“ eingereicht. Dazu später mehr und ausführlich unter der Kategorie Petition.

Wie ich schon in der Statistik hinwies, sind über 60 % der von Insolvenz Betroffenen durch unvorhersehbare Schicksale und Lebenskrisen und deshalb unverschuldet in die Kreditfalle gerutscht.
Die Kredite der Betroffenen Schuldner werden durch die Banken dann recht schnell komplett eingefordert und Konten werden gesperrt. Die oft eigengenutzte von den betroffenen Schuldner  selbst bewohnten Objekte werden deshalb zwangsversteigert. Durch die Zwangsversteigerung wird dem schon durch ein Schicksal gebeutelten Kreditnehmer noch ein weiteres Schicksal, nämlich der zwangsweise Verlust des Eigenheimes durch die Banken und Gerichte aufgebürdet. Die Meisten der betroffenen Schuldner stehen danach vor dem „Nichts“, da die Objekte durch die Zwangsversteigerungsgerichte oft weit unter dem Marktwert verschleudert werden. Dem schon geschundenen Schuldner wird damit der Todesstoß versetzt. Die Folge ist letztendlich, Selbstmord, Depression, Amoklauf und zerstörte Existenzen und Familien.
Dieses alles geschieht in einem Rechtsstaat, der die Grundrechte des Menschen im Grundgesetz verankert hat.
Wir leben im 21. Jahrhundert und wissen seit der Bankenkrise ab dem Jahr 2007, dass Banken mit Geldern der Sparer nicht zimperlich umgehen und mit viel Risiko zocken.
Vom Gesetzgeber wurde den durch das Zocken hochverschuldeten Banken mit hunderten von Milliardenbeträgen und staatlichen Bürgschaften und einer Badbank recht schnell und unbürokratisch wegen ihrer angeblichen Systemrelevanz geholfen. Die Frage bleibt deshalb an den Gesetzgeber, warum hilft man den jährlich über 50.000 Privatinsolventen nicht, nach ihren unvorgesehenen Schicksalsschlägen. Bei jährlich über 50.000 Betroffen ist ebenfalls eine Systemrelevanz zu erkennen, die sich auf die Wirtschaft auswirkt.

Es darf in heutiger Zeit nicht sein, dass durch eine Zwangsversteigerung der eigengenutzten Immobilien, der Schuldner danach in das soziale Auffangnetz des Staates abrutscht und vom Staat deshalb ernährt werden muss und dem Staat auf der Tasche liegt. Dieses ist im Vorfeld der Zwangsversteigerung so zu händeln, dass der Schuldner nach einem besonderen Schicksalsschlag sich selbst wieder, vielleicht auch mit Hilfe des Staates, ohne des Verlustes seines Eigenheims und Existenzsicherung aus der verfahrenen Situation befreien kann.
In den, seit über 100 Jahren alten Zwangsversteigerungsgesetzen wird komplett einseitig nur die Rechte der Gäubiger gewährt, aber die Rechte der Schuldner sind sehr dürftig.

Deshalb meine Forderungen an den Gesetzgeber:

Bevor eine Zwangsversteigerung durchgeführt werden kann, müssen folgende Dinge vom Zwangsversteigerungsgericht hinterfragt werden und dieses muss auch im Gesetz verankert werden.


  1. Welches Schicksal hat der Betroffene, dem die Zwangsversteigerung droht, durchlebt.
    Es darf einfach nicht sein, dass z.B. eine Witwe eines verstorbenen Unternehmers, wegen noch bestehender Schulden aus einem Betrieb des Verstorbenen nun auch noch ihres selbst bewohnten Eigenheims zwangsweise beraubt wird.
  2. Wird das zu versteigernde Objekt zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn ja darf die Immobilie nicht versteigert werden. Es muss deshalb nach anderen Lösungen gesucht werden, vielleicht über ein Schiedsgericht oder eine Badbank
  3. Dient das zu versteigernde Objekt zur Existenzsicherung und Altersvorsorge des Schuldners, wenn ja darf die Immobilie nicht versteigert werden. Es muss deshalb nach anderen Lösungen gesucht werden, vielleicht über ein Schiedsgericht oder eine Badbank
  4. Ist die Forderung der Gläubiger überhaupt gerechtfertigt.
    Unter welchen Umständen wurden Verträge unterschrieben und Einträge in das Grundbuch veranlasst. Ging da alles mit rechten Dingen zu oder liegt nach § 138 BGB ein sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher vor. Denn ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
    Nichtig ist insbesondere auch ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
  5. Das Gesetz muss auch wie bei den Banken in der Bankenkrise schon gehandhabt eine BADBANK für Schuldner vorsehen. Dann müsste geklärt werden ob für den Betroffenen Schuldner ein Konto für seine Kredite bei der Badbank eingerichtet werden kann und somit die Kredite anders abgewickelt werden können als über eine Zwangsversteigerung.
  6. Um welchen Schuldner handelt es sich in dem Verfahren überhaupt, ist es der Kreditnehmer selbst oder ein Bürge der mit seinem Haus für den Kreditnehmer bürgt.

    Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht, dass der Bürge fast noch schlimmer zwangsweise bestraft wird wie der ursprüngliche Kreditnehmer. Denn bei einer Privatinsolvenz eines Einzelunternehmers wird nach §1 InsO dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Nach einer Wohlverhaltensphase von bis zu 6 Jahren tritt bei diesem Schuldner nach § 301 InsO die Restschuldbefreiung ein. Also sämtliche offene Schulden des Schuldners sind von den Gläubigern und Bürgen nicht mehr einklagbar.
    Der § 301 InsO beschreibt folgende Wirkung der Restschuldbefreiung

    (1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

    (2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

    Wenn also für den Insolventen von z. B. seinem Ehepartner für das insolvente Unternehmen mit seinem Haus gebürgt wurde und der Bürge selbst nicht einmal einen Cent eigene Schulden hat, wird nach dem oben genannten Gesetz die Restschuldbefreiung des Insolventen zu einer Restschuldverlagerung auf den Bürgen. Der Bürge selbst hat aber z.B. wegen einer Scheidung keinen Zugriff auf seine Bürgschaft auf den Restschuld befreiten Insolventen auch wenn dieser nach einiger Zeit wieder zu Geld kommen und die Bürgschaft begleichen könnte. Hier wird nun Kraft des Gesetzes § 301 InsO Abs.2 der Bürge gegenüber den Banken und den Restschuldbefreiten regelrecht ungerecht behandelt und auch betrogen. Ebenso wird vom Gesetz zugelassen, dass die Gläubiger (Banken) parallel zu dem Insolvenzverfahren gegen den Schuldner gleichzeitig mit einem Zwangsversteigerungsverfahren gegen den Bürgen agieren können, obwohl es noch nicht feststeht, ob genügend Geld durch die Zwangsversteigerungen der vorhandenen Maschinen und Geräte z. B. eines insolventen Unternehmens die Schulden ausgeglichen werden können. Wenn es dann noch um die Zwangsversteigerung des Eigenheims des Bürgen geht ist der Betrug an dem Bürgen perfekt und der Bürge selbst ist zwangsweise existenzgefährdet ohne eigenes verschulden.

Jetzt könnte man allerdings argumentieren, dass es doch nach dem jetzigen Gesetz die Möglichkeit einer Gegenklage oder einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gibt.
Der von Zwangsvollstreckung bedrohte Schuldner ist in der Regel Pleite, dieses bedeutet, dass er so gut wie mittellos ist. Die Kosten bei einer Gegenklage bei einem Haus im Wert von 400.000 Euro beliefen sich um die 28.000  Euro incl. Gerichts und Anwaltskosten, die sich einfach kein Schuldner mehr leisten kann um nicht noch mehr in die Schuldenfalle zu rutschen, denn es ist nicht gesagt, dass man diese Klage auch gewinnt.

Für den Schuldner bei einem Zwangsversteigerungsverfahren gibt es nur wirklich einen einzigen Schutz, dies ist der § 765a ZPO, Vollstreckungsschutz, da heißt es unter anderem

„ Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen“.

Dieser Antrag auf Vollstreckungsschutz ist auf jeden Fall zu stellen wenn der Schuldner oder eines seiner engsten Angehörigen psychisch angeschlagen und depressiv ist, dies ist er auch in der Regel.
Ebenso sollte auf jeden Fall ein Antrag nach § 765a ZPO, Vollstreckungsschutz gestellt werden, wenn
wegen der Situation der zwangsweisen Wegnahme seines Eigenheims man sich selbst lieber umbringen würde und deshalb Suizidgefährdet ist. Dazu und zu den Urteilen der Gerichte zu § 765a ZPO später mehr in diesem Blog, denn dabei gibt es eine Menge zu beachten.

Nicht nur der Gläubiger sondern auch der Schuldner hat einen Anspruch auf eine „faire Verfahrensdurchführung“, welche zu den wesentlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips gehört.
Dem werden manche Gerichte leider nicht immer gerecht.


Bildquelle: pixabay.com

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