Donnerstag, 21. Juli 2016

Wie kam es zum Zwangsversteigerungsverfahren (Teil 2)




Die Geschäfte der Druckerei liefen so gut, dass man über die Erweiterung und Erneuerung des Maschinenparks nachdachte. Wir hatten mittlerweile einen recht breiten Kundenstamm und boten unseren Kunden ein rundum Paket vom Satz bis zum fertigen Katalog an. Nach Erstellung eines neuen Businessplans, den die R-Bank absegnete, wagten wir Ende der achtziger Jahre den Schritt und kauften für die Druckerei eine Roland Mehrfarbendruckmaschine, die mehrere hunderttausend  DM kostete.
In der Zeit als das Desktop Publishing aufkam legten wir uns Computer und Filmbelichter zu. Ebenso wurden nach und nach neue Sortiermaschinen und viele weitere Papierverarbeitungsmaschinen zugelegt um die anfallende Arbeit auch zur Zufriedenheit des Kunden schnell und preiswert ausführen zu können.
Die Maschinen finanzierte ich über unsere Hausbank, die R-Bank, die an den Zinsen der Kredite für die Druckerei recht gut verdiente. Der Bank wurden von mir Sicherheiten in Form von Sicherheitsübereignungen der gekauften neuen Maschinen gewährt. Dieses war allerdings der Bank an Sicherheiten nicht genug und
man Bestand seitens der R-Bank darauf, dass meine Frau eine Zweckerklärung für Grundschulden begrenzte Sicherung abgibt.
Außerdem verdiente die R-Bank auch aus den Abschlüssen von verschiedenen Versicherungen, wie z.B. Maschinenausfallversicherungen, Haft- und Unfallversicherungen etc. an der Druckerei in den 90er Jahren recht gut.
Bei der R-Bank war ich ein gern gesehener Kunde, an dem man mit hohen Zinsen (zeitweise über 12%) von der Druckerei und Haus partizipierte, denn wir waren in den Jahrzehnten der Zusammenarbeit mit der Hausbank ein immer zuverlässiger und pünktlicher Zahler.


Ende der neunziger Jahre wurde meine Frau, vielleicht durch den vielen Stress oder bedingt durch die Wechseljahre, depressiv krank. Sie wurde antriebslos, müde, mutlos und zog sich immer mehr zurück. Anfangs erkannte ich diese Depression gar nicht, denn es war ein schleichender Prozess, der sich vollzog.
Als die Depression meiner Frau immer mehr zutage kam konsultierte ich unseren Hausarzt. Da der Hausarzt selbst unter Depressionen litt, erkannte er die Krankheit meiner Frau und verschrieb ihr Antidepressiva. Mit dem Medikament wurden die Depressionen zumindest nicht schlimmer, aber die Antriebslosigkeit und Müdigkeit war immer noch vorhanden.

Etwa im Jahr 2000 hatte ich den Kredit für die Druckmaschine und diverser anderer Maschinen komplett mit Zins und Tilgung bei der R-Bank zurück bezahlt. Somit war auch die Zweckerklärung für Grundschulden an die R-Bank von meiner Frau hinfällig.
Am Anfang der Jahrtausendwende machte sich auch bei meiner Druckerei der Strukturwandel bemerkbar.
So nach und nach brachen die Kunden der Druckerei weg. Dieses hatte viele Gründe wie z. B. die immer besser werdende Computer- und Netzwerktechnik mit bezahlbaren Farbdruckern, Insolvenzen von Kunden, Billigangebote aus den ehemaligen Ostblockländern und vieles andere mehr. Man konnte immer mehr in den Zeitungen von dem Druckereisterben lesen. Dieses blieb auch nicht bei meiner Druckerei ohne Folgen,
ich musste Leute entlassen und meine Frau arbeitete bei mir nur noch als Halbtagskraft. Ich sah dieses alles schon voraus, deshalb habe ich mich auf  die neuen Techniken eingelassen und habe mir selbst das Programmieren und Datenbanktechnik beigebracht und versuchte mit neuen Ideen am Markt weiterhin präsent zu bleiben, was auch anfangs gut gelang.

Im Jahr 2003 war die Zinsbindung des Hauses meiner Frau bei der R-Bank abgelaufen. Da das Angebot für die Hypothekenzinsen der R-Bank für die Weiterführung des Hypothekenkredits des Hauses zu hoch waren hat meine Frau bei der S-Bank für den noch vorhandenen Rest der Schulden des Hauses einen neuen Hypothekenkredit mit niedrigeren Zinsen vereinbart und das Haus zur S-Bank umgeschuldet.
Somit hatte meine Frau nur noch den Kredit des Hauses bei der S-Bank und ihr Girokonto, welches immer im Plus war bei der R-Bank.
Ich dagegen hatte zu der Zeit noch einen Rest eines Geschäftskredits, den ich im Anfang 2003 mit der R-Bank für eine zusätzliche Maschine abgeschlossen hatte und einen Kontokorrentkredit bei der R-Bank und eröffnete auch ein Geschäftskonto bei der S-Bank mit besseren Konditionen.
Aufgrund der Umschuldung des Hauskredites meiner Frau wurde nun die R-Bank mit einem Teil als erstrangiger Gläubiger und die S-Bank als zweitrangiger Gläubiger im Grundbuch eingetragen.
Daraufhin hatte meine Frau bei der R-Bank einen Antrag auf Löschung der Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch gestellt, da sie ja keinen Cent Schulden mehr bei der R-Bank hatte. Dieses wurde von der R-Bank abgelehnt. Leider hatten wir wegen der alltäglichen Arbeit nicht weiter auf die Löschung gepocht und das war auch unser gravierender Fehler.
Die Depressionen meiner Frau wurden wieder erheblich stärker.

Mit der Miete der Geschäftsräume der Druckerei tilgte meine Frau weiterhin den Kredit des Hauses bei der S-Bank über ihr Privatkonto der R-Bank, denn mit dem verdienten Geld als Halbtagskraft hätte sie das Haus nicht weiter tilgen geschweige denn die Zinsen bezahlen können.
Um das Jahr 2005, 2006 wurden die Geschäfte der Druckerei dramatisch schlechter und wir mussten unsere Lebensversicherungen aufgeben um weiter die Kredite tilgen zu können. Trotz aller Geldprobleme hatten wir immer darauf geachtet, dass Lieferanten- und Handwerkerrechnungen immer pünktlich bezahlt wurden.
Ich versuchte wieder auf dem normalen Arbeitsmarkt mit über 150 Bewerbungen Fuß zu fassen. Doch alles war vergeblich, entweder man war mit Mitte 50 viel zu alt oder man war überqualifiziert.
Meine Frau war, wegen ihrer schweren Depressionen, in Behandlung bei einer Nervenärztin und auch ich bekam im Jahr 2006 ebenfalls zunehmend Depressionen obwohl ich immer wieder versuchte positiv zu denken.
In dieser Zeit im September 2006 drängte die R-Bank wieder meine Frau eine Zweckerklärung für Grundschulden (enge Fassung) mit Abtretung der Rückgewährsansprüche zu unterschreiben.
Wegen ihrer schweren Depression und wegen der emotionalen Verbundenheit mit mir hat sie dem Druck der Banken nicht standgehalten und unterschrieb. Somit war sie Bürgin und Sicherungsgeberin für meine Geschäftsschulden, was fatale Folgen hatte.

Als meine depressivkranke Frau diese Zweckerklärung für Grundschulden bei den Banken unterschrieb spekulierten die Banken einzig und allein nur auf ihr Eigenheim und haben deshalb ihre Bonität nicht geprüft und auch nicht hinterfragt ob sie überhaupt fähig ist die Schulden des Geschäfts des Ehemanns mit ihrem eigenen Lohn tilgen bzw. auch die Zinsen bezahlen zu können.
Zu dieser Zeit der geleisteten Unterschrift hatte meine Frau keinen Job und somit wäre sie nämlich nicht in der Lage gewesen überhaupt etwas tilgen oder die Zinsen zahlen zu können. Ebenso werden solche Zweckerklärungen für Grundschulden von den Banken oft verharmlost dem Kunden und späteren Bürgen dargelegt. In diesem Moment ist es dem Sicherungsgeber und Bürgen oft garnicht bewusst, dass durch diese Unterschrift sein eigengenutztes Häuschen auf dem Spiel steht, auch wenn der eigentliche Schuldner noch lebt und diese Schulden irgendwann selbst zahlen könnte.
Eine Spekulation auf ein selbstgenutzes Eigentum und somit auf die Vernichtung einer selbst erschaffenen Lebensexistenz des Bürgen oder auch eines Schuldners ohne Prüfung anderer Sicherheiten ist verwerflich und mit den guten Sitten nicht vereinbar.

Nach § 138 Abs. 2 BGB (Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher) ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Als die Zweckerklärung meiner Frau zur Unterschrift vorgelegt wurde, waren die Geschäftsführer der Banken von den schlechter werdenden Kontobewegungen bei meiner Frau und bei meinem Geschäft informiert und deshalb nutzten sie unsere Zwangslage und die Unerfahrenheit meiner Frau aus, um mit Druck und Drohungen, bei meiner Frau die Unterschrift zu erzwingen, was sie wegen ihrer Depressionen und dadurch ihrer Willensschwäche auch tat.


Deshalb sind zwei gravierende Mängel des deutschen Zwangsversteigerungsrechts zu beklagen.

1.) Bei einer Eröffnung eines Zwangsversteigerungsverfahrens gegen einen Bürgen oder Sicherungsgebers vor dem Zwangsversteigerungsgericht wird von diesem Gericht nicht geprüft ob ein sittenwidriges Rechtsgeschäft bei der Unterzeichnung eines Vertrags vorgelegen hat.

2.) Genauso wird auch nicht ein rechtskundiger Anwalt dem Schuldner bei einer Verfahrenseröffnung als Verteidiger zur Seite gestellt, der die Positionen des Schuldners vertritt, wie es bei jedem Strafverfahren der Fall ist. Der Schuldner oder Bürge ist und bleibt im Prinzip vor Gericht auf sich alleine gestellt und bekommt keine Hilfe bei aufkommenden Fragen und Handlungsweisen.

Ein Zwangsversteigerungsverfahren gegen meine Frau als Sicherungsgeberin hätte es, aufgrund oben aufgeführter Beratungs- und Prüfungsmängel der Banken bei ihrer Unterschriftsleistung, wegen der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts laut  § 138 Abs. 2 BGB nie geben dürfen.

Ich bin mir zu 100 % sicher, dass viele Zwangsversteigerungen wegen Sittenwidrigkeit der Verträge nie hätten durchgeführt werden dürfen. Aber die Lähmung und die Depression der Betoffenen in Zwangsversteigerungsverfahren, die vor dem Nichts stehen, von den Banken schamlos und skrupellos zu ihren Gunsten ausgenutzt wird. Eine Gegenklage des Schuldners braucht Nerven und viel Geld, das der Schuldner in einem solchen Verfahren einfach nicht hat, das Wissen die Banken und das nutzen sie auch gegen den Schuldner und Bürgen vor Gericht aus.

In diesem Zusammenhang suche ich auf diesem Weg Jurastudenten im Bereich Zwangsversteigerungsrecht, Insolvenzrecht und Vertragsrecht idealerweise fortgeschrittene, die promovieren wollen.


Zum Schluss hier noch ein paar Weblinks zum Thema:

Allgemeine Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute

und

Der Sicherungsvertrag (auch: Sicherungsabrede oder Zweckerklärung)

Ab Ende 2006 überschlugen sich jetzt die Ereignisse, die ich im nächsten Post veröffentliche.


Bildquelle: pixabay.com

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